Anwälte dürfen sponsern und damit werben
Die Unterstützung gemeinnütziger Organisationen ist jedermann erlaubt und sogar erwünscht. Allerdings durften Rechtsanwälte bisher nicht darüber reden, sprich werben. Das ist nun anders!
Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat eine gerichtliche einstweilige Verfügung aufgehoben, mit der Rechtsanwälten aus einer Rostocker Sozietät vorläufig untersagt worden war, als Sponsoren für verschiedene kulturelle Veranstaltungen aufzutreten.
Unter Hinweis auf die Grundsatzentscheidung des Ersten Senats vom 22. Mai 1996 (u.a. "Sponsoring von Sportveranstaltungen durch Apotheker"; BVerfGE 94, 372 ff.; vgl. Pressemitteilung Nr 47/96 vom 8. August 1996) hat die Kammer festgestellt, dass das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) die Beschwerdeführer (Bf) in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt. Das OLG muss die Sache erneut verhandeln und entscheiden.
I. Die vier Bf sponserten u.a. ein Konzert der NDR Big Band, den Landespresseball Mecklenburg-Vorpommern sowie eine Auktions-Kunstbörse. Auf Werbeplakaten, in Anzeigen und Einladungen war die Sozietät als Sponsor genannt. Auf Antrag eines anderen Rechtsanwalts wurde den Bf dies vom OLG wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb untersagt. Hiergegen erhoben die Bf Vb.
II. Die Annahme der Vb ist zur Durchsetzung der Rechte aus Art. 12 Abs.
1 GG angezeigt. Die der angegriffenen Entscheidung zu Grunde liegende Annahme,
den Bf sei als Anwälten Sponsoring regelmäßig verboten, beruht auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung Berufsfreiheit.
Zur Begründung heißt es u.a.: Wie der Erste Senat bereits am 22. Mai 1996
(s. oben) entschieden hat, unterliegt es zeitbedingten Veränderungen, welche
Werbeformen als üblich, angemessen oder als übertrieben bewertet werden;
dem Wandel - auch außerhalb der freien Berufe - ist Rechnung zu tragen,
weil sich hierdurch Wahrnehmungsfähigkeit und Wahrnehmungsbereitschaft
der Öffentlichkeit ändern. Allein aus dem Umstand, dass eine Berufsgruppe
ihre Werbung anders als bisher üblich gestaltet, kann nicht gefolgert werden,
dass dies unzulässige Werbung ist. Im vorliegenden Fall haben die Bf auf
die Existenz ihrer Kanzlei und die finanzielle Unterstützung durch sie
aufmerksam gemacht; die äußere Form ist von großer Zurückhaltung, also
nicht unsachlich. Es geht um Imagewerbung , die geeignet ist, das Bild
des Förderers in der angesprochenen Öffentlichkeit zu heben, weil darauf
aufmerksam gemacht wird, dass sich der Werbende gemeinnützig in einem bestimmten
Bereich engagiert. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit eine solche Werbung
geeignet ist, das Vertrauen der Rechtsuchenden zu beeinträchtigen, der
Anwalt werde nicht aus Gewinnstreben zu Prozessen raten oder die Sachbehandlung
an Gebühreninteressen ausrichten. Die Selbstdarstellung ist weder irreführend,
noch stellen sich die Bf sensationell oder reklamehaft heraus. Zudem sind
die von den Bf gesponserten kulturellen Veranstaltungen seriöse Anlässe;
die Art und Weise der Bekanntgabe des Sponsorings kann nicht als unangemessene,
übertriebene Werbung qualifiziert werden.
Beschluss vom 17. April 2000
- Az 1 BvR 721/99 -
Mitgeteilt von: Rechtsanwalt Andreas Neuber, Hauptstraße 19 , 47809 Krefeld, neuber@pnw.de